2020 gab es ein spannendes Projekt nach dem Motto "Literatur trifft Fotografie".

Zusammen mit ein paar befreundeten Fotografen und der Schriftstellerin Iris Antonia Kogler haben wir uns an das Projekt getraut, Fotos zu ihrem Buch "Meerestiere" zu machen. Wir haben alle das Buch gelesen und uns dann damit beschäftigt, die in unseren Köpfen entstandenen Bilder in Fotografien festzuhalten. Es war gar nicht so einfach, hat aber riesigen Spaß gemacht.

Die Endergebnisse waren  - wie zu erwarten - sehr unterschiedlich, wodurch es natürlich auch interessant wurde.

Im Oktober 2020 endete unser Projekt mit einer Lesung und passenden Fotoausstellung in der Mediathek in Kamp-Lintfort. Es war ein toller Abend, auch wenn durch Corona die Anzahl des Besucher sehr klein gehalten werden musste.

Hier sind die Bilder, die ich in diesem Zusammenhang gemacht habe.

Wer auf den Geschmack gekommen ist und das komplette Buch lesen möchte: "Meerestiere" von Iris Antonia Kogler,

ISBN 9783749482092.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen!

Weitere Informationen zu Iris Antonia Kogler, ihren weiteren Büchern und ihren Kurzgeschichten findet Ihr unter iris-antonia-kogler.de.







Jakob sah auf den Fisch, der vor ihm auf einem Küchenbrett lag und dessen Schuppen in der Nachmittagssonne schimmerten.

(...)

Er las die Nachricht seiner Frau ein zweites Mal und legte das Handy neben den Fisch (...)










"Manchmal verstehe ich meine Frau nicht", sagte er und öffnete eine Weinflasche, um das vierte Glas an diesem Tag zu trinken.





Jakob dachte kurz nach - oder eigentlich auch nicht - und stand auf.

"Was ich jetzt tue, ist sinnvoll. Wenn ich es beendet habe, bist Du weg."

Er öffnete den Gefrierschrank und steckte den Kopf hinein. In der angenehmen Kälte und Dunkelheit des Markengerätes ließ es sich leichter nachdenken, und so kam er zu dem Schluss, dass vier Gläser Wein in Zusammenhang mit dem Verlassenwordensein eine ungute Kombination aus Alkohol und mieser Stimmung waren. Logisch nachgedacht lag es nahe, dass eben jene ungelückliche Kombination zu einer Art Schockreaktion mit einhergehenden Halluzinationen führte. Es war sicherlich alles nur eine Sache der Nerven, die sich bestimmt beruhigen ließen, wenn er es schaffte, tief und regelmäßig zu atmen. Als ihm ein Tüte tiefgefrorener Erbsen zu sehr auf die Nase drückte, zog Jakob seinen Kopf wieder aus dem Gefrierschrank und sah zur Theke.





Der Fisch lag auf einer Zitronenhälfte und lümmelte darauf wie auf einer Chaiselongue.

(...)

"Sie reden mit einem Fisch?"

"Nein, mit meinem Vater, er ist ein Fisch."

Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang weiterhin professionell und rational.

"Ihr Vater ist ein Fisch?"

"Ja, er liegt in der Küche auf einem Brett, und er knabbert an der Petersilie herum."







"Ich weiß, was das bedeutet", sagte Jakob, nahm die Sprühflasche für die Bonsais und sprühte eine Wasserwolke Richtung Fisch, die sich augenblicklich in der heißen Sommerluft auflöste, bevor sie überhaupt in die Nähe des Fisches kam.

(...)

"Also, wir haben folgendes Problem", sagte der Fisch und rieb sich die feinen Wassertropfen mit der Flosse über die Schuppen, so gut es eben ging. "Ich gehöre hier nicht hin."








Sie brauchte weder Anerkennung, noch Wertschätzung, es war nicht nötig, Managerin eines kleinen Familienunternehmens zu sein, weil es ganz einfach reichte, Mutter und Ehefrau zu sein. Das Leben, das sie lebte, gab ihr alles, was sie brauchte. Doch dann war etwas geschehen, war in ihr Dasein eingebrochen und hatte einen Riss verursacht, der mit nichts zu füllen war. Es war einfach so geschehen, und Sonja fühlte sich, als stünde sie an einem Bahngleis, vom Leben zurückgelassen, weil der Zug früher abgefahren war als geplant. Alle Menschen und alles, was sie kannte, war in diesem Zug davongefahren, und sie stand da, allein auf dem Bahnsteig und sah auf die leeren Schienen vor ihr, auf denen kein Zug mehr halten würde.




Jakob stellte den Eimer auf den Rücksitz und zog am Anschnallgurt.

"Stell mich auf den Vordersitz", befahl der Fisch.

"Ich glaube nicht, dass Fische vorne sitzen dürfen."

"Los, mach schon."

Ohne weiteren Kommentar stellte Jakob den Eimer auf den Beifahrersitz und schnallte ihn an. Der Fisch lehnte mit den Flossen auf dem Rand des Eimers und schaute zum Fenster hinaus.








Der Fisch lehnte mit den Flossen auf dem Rand des Eimers und schaute zum Fenster hinaus.

"Wann sind wir da?", fragte er, bekam aber keine Antwort. Stattdessen gab Jakob so schnell Gas, dass der Fisch den Halt verlor und zurück in den Eimer rutschte.




Im Restaurant der Autobahnraststätte setzte sich Jakob an einen Tisch und bestellte einen Kaffee.

(...)

Genaus das, dachte er, würde er nicht tun. Erstens wollte er seiner Frau nicht schon wieder irgendeinen Wunsch erfüllen und zweitens fand er, er sollte sich Zeit nehmen und sich nicht unüberlegt verhalten. Und drittens wartete da ein Fisch im Auto.

"Hast Du mir was mitgebracht?", fragte der, als Jakob zum Auto zurückkam.

"Fischfütter war aus."







"Weißt Du was? So zwischendurch dachte ich, dass da was zwischen dir und mir wäre. Was Versöhnliches, verstehst du? War wohl eine falsche Annahme."

(...)

"Wir bleiben hier", entschied er und fuhr die Ausfahrt hinaus.





Jakob schnallte den Eimer ab und überlegte, was für ein Bild er mit einem Fisch in einem Eimer abgeben würde, wenn er so das Hotel betrat.

"Warte mal", sagte er, schloss die Autotür und ging fort.

Nach einer Weile kam er mit zwei Blumensträußen zurück.

"Wo warst Du denn jetzt?", fragte der Fisch.

"Tankstelle", antwortete Jakob und steckte die Sträuße zum Fisch in den Eimer.

"Was soll das denn jetzt?", fragte der empört.

"Ich muss Dich verstecken. Ich kann ja wohl schlecht mit einem Fisch in einem Eimer ein Hotel betreten."







Alfred stieg aus, ließ Judy aus seinen Armen auf den Boden hinunter und schloss die Autotür. Sofort heulte der Motor auf, seine Tochter setzte das Auto zurück und fuhr in Richtung Autobahn davon.

Alfred sah zu Judy hinunter. Autos brausten über die nahe Autobahn, die von der untergehenden Sonne angestrahlt wurde.







Ihre abgestreiften Schuhe lagen neben ihren Füßen am Wegesrand, und barfuß streifte sie über das Gras, das von der Hitze ausgetrocknet war und leise raschelte. Richard schlenderte zu ihr zurück, sah ihr beim Träumen zu und fotografierte dann Sonjas Schuhe, die Kamera nah an der Schnalle am Riemchen, das in der Sonne glänzte, dahinter das weite, offene Feld, auf dem Sonja stand.







Ihr jüngeres Ich nahm das Glas und trank daraus. Dann fragte es: Möchtest Du tanzen? Sonja sah hinunter auf ihre Füße. Aber ich habe keine Schuhe an. Die junge Sonja sah an sich herunter zu ihren eigenen Füßen, an denen sie schwarze Tanzschuhe trug. Das macht nichts, sagte sie und hob ihre Arme zum Tanz. Sonja tat es ihr gleich, und so tanzten sie die einsame Straße entlang, vorbei an ihrem Haus und an der großen Buche, an der Einfahrt des Nachbarn und an dem Rosenstrauch, dessen Duft sie so liebte. Sonja sah in den Himmel, der ihr so viel weiter vorkam als gewöhnlich. Ihr jüngeres Ich führte sie in eine Drehung hinein, und als Sonja sich ihm wieder zudrehte, war es verschwunden. Sonja blickte an sich hinab. Sie trug Tanzschuhe.





Quellenangabe für die Texte unter den Bildern: "Meerestiere" von Iris Antonia Kogler



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